Realitätsbonus: Tun und Lassen auf Island

Spread the love

Vor der Reise hat man Vorstellungen von einem Land, vielleicht auch Klischees. Meine sahen so aus: Imo und ich steigen aus dem Flugzeug, auf Island setzt gerade der Frühling ein. Couchsurfer Valdi empfängt uns am Flughafen mit einem Schild in der Hand, auf dem mein Nachname ohne „ü“-Pünktchen steht. Kurz gelacht, haha, auf ins erste Nachtlager, das bei Weitem nicht so schlimm wie beschrieben ist. Am nächsten Tag aufstehen, an die Straβe stellen, mitgenommen werden, im besten Fall mit Isländern oder echten Aussteigern einmal um den Ring und an Orte, die noch nie ein Mensch vor uns gesehen hat. Auβer der Fahrer. Wir schlafen im Auto, das niemals auskühlt und duschen unter warmen Wasserfällen.

Erste Nacht – wlllkommen in der Realität. Für 0 Euro gibt es nicht viel mehr als einen abgestellten Wohnwagen neben einer verlassenen Autowerkstatt.

Dann setzt irgendwann die Realität ein. Genauer gesagt: bei der Landung. Der Ostermontag ist ein Schneegestöber und Island erst zu sehen, als die Räder der Maschine beinahe den Asphalt berühren. Valdi verspätet sich und unser Nachtlager ist genau so, wie versprochen. Besser als ein Zelt, aber ansonsten eine Garage, die so wirkt als hätte sie der Mechaniker mitten in der Reparatur verlassen. Matratzen auf dem Boden, Benzingeruch in der Luft, aber immerhin steht ein ausgemusterter Wohnwagen vor der Tür. Valdi ist ein ehrlicher Mensch. Auf Trampen vergeht uns die Lust recht schnell und wir investieren in Valdis Skoda rund 400 Euro für elf Tage. Wir nehmen eine Deutsche mit, die unerwartet vor unserem Wohnwagen auftaucht. An den „attractions“, die mit dem Kleeblatt-Symbol (Apple-Nutzer kennen das ja) gekennzeichnet sind, lauern Hunderte Touristen, die uns die Einmaligkeit des Moments rauben wollen. Das Auto kühlt aus. Nächte im Auto sind nur im Doppelkleidungsschicht-System annähernd zu ertragen. Und duschen? Naja. Dach über den Kopf hat schon seine Vorteile.

In der vergangenen Woche habe ich zwei Dinge gelernt. Ich bin kein Weltreisender, nur weil ich den Plan gefasst habe. Ich jammere und meine Gedanken drehen sich noch zu stark um das Loslassen. Pseudopsychologisch nenne ich es Abkopplungsphase. Ich denke nicht lösungsorientiert und ich kaufe mir hin und wieder Bier für 1000 Kronen. Die zweite Sache ist: Bloβ die Ruhephasen nicht vergessen. Es gab keinen schlimmeren Tag als den in der Rolle der Sehenswürdigkeiten-Jäger entlang der Ringstraβe im Süden der Insel. Schlimm.

Das habe ich über mich und das Reisen gelernt. Für Island habe ich nach einer Woche ein Sammelsurium an Tipps, das mir andere Reisende und Einheimische miitgegeben haben. In ungeordneter Reihenfolge:

  • Mietwagen Es gibt eine goldene Regel: Günstiger Mietwagen von einem groβen Autovermieter gibt es auf Island nicht. Die günstigsten Fahrzeuge sind
    Macht seine Sache gut: Valdis Skoda mit dem Klappern nach der Zündung.

    in der Regel der Hyundai i10 und ein Fiat 500. Ich habe keine Ahnung von Autos, aber habe aus erster Hand erfahren, dass bei Preisen diesseits der 50 Euro/Tag mit anderen Methoden gearbeitet wird, um Geld zu verdienen. Für kleinste Schäden können ein paar Hundert Euro obendrauf kommen, bis zu 2000 Euro trotz Vollkasko-Versicherung. Entweder man hat sich gegen die Eigenbeteiligung bereits mit einer heimischen Versicherung abgesichert oder man zahlt das Rundum-Sorglos-Paket für etwa 55 Euro am Tag. Wir hatten wahrscheinlich Glück: Valdi richtet seine Autos selbst. Mittlerweile ist auf Island private Autovermietung erlaubt. Allgemein sind aber Kleinwagen überhaupt keine gute Idee für eine längere Tour. Unser Skoda Octavia bietet bei umgeklappter Rückbank auβerdem eine perfekte Schlafniesche für zwei Personen.

  • Tourismus Du bist nicht einzigartig. Es ist ein absoluter Quatsch sich aus den Touristenmassen als etwas Besonderes herauszunehmen. Wie jeder andere
    Viel Wasser den Fluss hinunter: der Gullfoss.

    am Gullfoss bin auch ich in erster Linie Tourist. Und davon gibt es viele. Aber -und da hat Sebastian Gloser in meinen Facebook-Kommentaren absolut recht -jeder hat die Möglichkeit einen anderen Urlaub auf Island zu verbringen als Wasserfall, Wasserfall, Geysir. Wenn man von der Ringstraβe abbiegt und seinen eigenen Weg sucht, mit Isländern redet und zu erkennen gibt, dass man sich an alle Nachhaltigkeitsregeln hält, steht einem „ehrlichen“ Island-Urlaub nichts mehr im Wege. Couchsurfing ist natürlich auch eine Methode. Die besten Erlebnisse waren bisher auf Vestmannaeyjar bei Vicky und gerade im Moment bei Gudmundur in Olafsfjördur. Island ist ein traumhaftes Land, vor allem abseits der Kleeblätter.

  • Lebenskosten Traumhaft und teuer. Island ist Importland, die Preise in den Supermärkten und Discountern je nach Produkt sind 20 bis 50 Prozent teurer
    Teuer wird es auf Island vor allem bei den Kosten für Lebensmittel.

    als in Deutschland (Was ich unter anderem bei Fleisch nur befürworten kann!). Valdi sagt: Der Discounter „Bonus“ sei am günstigsten. „Kronan“ gefällt mir allerdings besser: Obst wirkt frischer und er hat mehr Auswahl. Preisunterschiede sind eher marginal. Richtig teuer wird es in der Kneipe oder im Restaurant. Valdi hat noch den Touri-Tipp, in der Umgebung von Reykjavik bei Ikea essen zu gehen. Wir haben uns lieber noch ein paar Nüsschen eingepackt. Wer Bier unter 8 Euro trinken will, sollte sich im Duty Free Shop an der Gepäckausgabe im Flughafen eindecken. Die Alkoholkette „Vinbudin“ ist allerdings auch nur etwas teurer. Ansonsten empfehlen wir: Nüsse (gibt es allerdings groβe Preisunterschiede!), Porridge von Kronan, abgepacktes Vollkornbrot – hält lange und im Auto ist es in der Regel kühl. Auch Käse im Auto ist im April noch kein Problem.

  • Jahreszeit Sommer und Winter sind tatsächlich zwei vollkommen unterschiedliche Lebenslagen auf der Insel, erzählen uns die Isländer. Noch bis Juni (teilweise auch bis Mai) ist offiziell Winter und viele Straβen sind gesperrt. Im Auto schlafen ist allgemein nicht gern gesehen und an vielen Plätzen auch verboten. Aber im Sommer sind die Scheiben wenigstens nicht von innen gefroren, wenn man schon Mist baut. Das sollte man mal im Hinterkopf behalten. Die Ringstraβe war aber auch im April immer frei – wir hatten nach dem zweitägigen Wintereinbruch aber auch Wahnsinnswetter.
  • Polarlichter Gudmundur hat mit Imo und mir am Dienstag Norther-Lights-Hunter gespielt und wir sind nachts in seinem Allradwagen am Fjord entlang gedüst. Sein Tipp für Langzeitbelichtungslaien wie mich, die leider kein Weitwinkel-Objektiv dabei haben, sondern sich (neben dem Tele) mit einem beschädigten Standard-Nikon-Objektiv herumschlagen müssen: ISO 1600, Belichtungszeit: 15 bis 20 Sekunden, Blende möglichst weit auf (beim mir F 3.5). Läuft.
  • Top 5 Juhu! Hitlist! Hier meine Favoriten auf Island:
    5. Gullfoss. Ja. Schaut ihn euch an. Und ja. Es werden ein paar Leute da sein.
    4. Straβe 42 von Reykjavik nach Grindavik – gerade im Winter war es ein Traum. Vorbei am See Kleifavatn und den brodelnden Quellen Krysuvik nach Grindavik – ein Träumchen.

    Die Straβe 42 nach Grindavik hält links und rechts der Strecke einige Überraschungen bereit: geothermale Hotspots, heiβe Bäder und einen See.

    3. Ringstraβe zwischen Egilssttadir und Reykjahlid. Wenn es irgendwie möglich ist, fahrt die Strecke von Ost nach West bei Sonnenuntergang oder umgekehrt bei Sonnenaufgang. Unbeschreiblich.

    Die Ringstraβe verläuft zwischen Egilsstadir und Reykjahlid auf einem Hochplateau.

    2. Olafsfjördur. Eingekesselt zwischen schneebedeckten Bergen auf einem schmalen Landsteg, der das Fjord vom See trennt, liegt ganz im Norden ein verstecktes Paradies. Skifahrer haben das Land schon für sich entdeckt. Wir wurden hier so herzlich empfangen wie zuvor nur auf den Westmännern-Inseln. Unbedingt: Nach Nordlichtern Ausschau halten, Wanderung einplanen, Kaffee und hausgemachte Kuchen im „Kaffi Klara“!

    Wau. Mund zu und nach Olfasfjördur fahren.

    1. Vestmannaeyjar. Ich habe selten in einem Urlaub ein besseres Gefühl gehabt, als bei derr Überfahrt auf die Mini-Inseln. Das hat sich bestätigt. Wir wurden herzlichst von Vicky empfangen, die Inseln haben sich so formiert, als hätte ein Fotograf Anweisungen gegeben, die Geschichte des Ausbruchs, das Fischerstädtchen Heimaey (Sprich: Heim-a-hey, hat mir Gudmundur erklärt.) – auf kleinem Platz ein vielseitiges Programm.

Blick vom Eldfell über Heimaey auf die umliegenden Inseln. Machen!

Leserfrage der Woche von Rene H. aus K.:

Sag doch mal, wann Sonnenauf- und -untergang ist!

Sonnenaufgang: 6.11 Uhr. Sonnenuntergang: 20.47 Uhr. Ich bin extra wach geblieben. Das Verrückte ist: Irgendwann geht die Sonne mal gar nicht mehr unter. Und dann ganz lang. Auβerdem stimmt der Quatsch aus dem Internet nicht wirklich. Die Sonne ist weg, aber im Westen glüht der Himmel immer noch lange nach. Das ist wie Vorglühen. Nur ohne Türsteher, die einen nicht mehr reinlassen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert